Las Vegas
Las Vegas spinnt! Es war im 1990 schon nicht ganz normal, aber es konnte offenbar noch verrückter werden. Unglaublich, was dort abgeht. Man muss nicht mehr selber in die Gambling Paläste reinlaufen, sondern wird mit Fliessbändern direkt vom Trottoir reintransportiert. Natürlich in der Hoffnung, dass man beim Blackjack, Poker oder Roulette viel Geld liegen lässt. Dies ist auch der Grund, dass viele Hotels in Las Vegas ihre Zimmer zu Schleuderpreisen vermieten: Unser Zimmer im ****-Hotel Bally’s kostete umgerechnet CHF 36.70.
Wenn man nur eine Nacht in Las Vegas ist, braucht es keinen Show-Besuch oder Spezial-Programm. Die ganze Stadt ist eine spezielle Show, nicht nur wegen des täglichen Brunnenspiels beim Bellagio, in Las Vegas ist jeder Tag Fourth of July (was es in unserem Fall auch wirklich war). Die Casinos sind mittlerweile umgeben von thematisierten Einkaufszentern, wo diverse Tageszeiten mit künstlichem Licht simuliert werden und jeder Wunsch mit genügend $ erfüllt werden kann. Im Venetian wähnt man sich mit singenden Gondolierinas in Venedig, im Treasure Island fehlt nur noch Captain Jack Sparrow und im Luxor wird man ins alte Ägypten von Cleopatra versetzt.
Zion National Park
Am nächsten Tag verliessen wir via Highway 15 den Staat Nevada wieder und erreichten gegen Mittag Zion Nationalpark im Bundesstaat Utah, wo wir uns in Springdale, einem schönen Dörfchen kurz vor dem Parkeingang, einquartierten.
Als Wandertipp wurde uns Angels Landing schon vorgängig angepriesen. Der Entdecker meinte vor einigen Hundert Jahren, dass der Gipfel so unerreichbar sei, dass nur Engel dort landen könnten. Aber den amerikanischen Behörden ist es gelungen, einen schönen Wanderweg/Klettersteig einzurichten, der es jedem schwindelfreien Wanderer ermöglicht, dort hochzulaufen. Unter unserem Standardmotto „Früh zum Berg, früh vom Berg“ waren wir auch hier morgens früh unter den Ersten auf dem Gipfel. Der Weg war wirklich sehr schön und die Benennung des Gipfels und der Wegabschnitte viel kreativer als bei uns: Walter’s Wiggles, Scout Lookout und Refrigerator Canyon tönen eindeutig spannender als Rothorn, Huetstock & Co.
Auf den Geschmack gekommen, haben wir am Tag danach frühmorgens auch noch den Observation Point bestiegen. Der Wanderweg dort hinauf ist länger und ruhiger und bietet mit seinem Gipfel am Canyon-Rand eine sehr schöne Weitsicht sowie eine Aussicht runter auf Angels Landing.
Bryce Canyon National Park
Anschliessend ging die Fahrt weiter nach Bryce Canyon National Park, wo kein Dorf sondern Ruby’s Inn mit diversen Dependancen am Parkeingang lag und noch ein Zimmer für 2 Nächte frei hatte. Für unsere Reise inkl. Laptop war es sehr bequem, dass Ruby’s „free WiFi“ im Angebot hatte. So konnten wir uns informieren über die weiteren Reisepläne und über eine Bärenmutter, die im Yellowstone National Park einen Touristen getötet hatte, der ihren Bärenbabys zu nahe gekommen war. Genau zur gleichen Zeit im 2010 waren wir auch dort, und haben uns auf einsamen Wanderungen oft gefragt, was wir täten, wenn uns ein Bär über den Weg laufen würde…..
Im Bryce Canyon waren solche Begegnungen nicht zu erwarten, also machten wir am nächsten Tag den Peekaboo Loop Trail, der uns runter zu den Hoodoos brachte. Die besonderen orangenen Felsformationen waren ausserordentlich speziell und kombiniert mit dem Grün der Bäume und dem Blau der Himmel boten sie eine wahre Augenweide.
Kurz nach Rückkehr beim Auto brach ein starkes Gewitter über dem Park los, was zeigte, wie schnell die Wetterverhältnisse sich auch in Bergregionen in den USA ändern können.
Am nächsten Tag ging die Reise weiter. Es ist fast frech, Zion und Bryce als „Vorgeplänkerl“ zu bezeichnen, aber ehrlich gesagt, ging es für uns jetzt zum Höhepunkt, dem Grand Canyon Nationalpark.
Grand Canyon National Park
Einige Monate im Voraus hatten wir im Grand Canyon Lodge am North Rim für 3 Nächte einen „Frontier Cabin“ reserviert …. in der Hoffnung, dass man es dort dann auch 3 Tage und Nächte aushalten könnte. Beim Check-In nach ca. 14.00 Uhr hiess es bereits „no vacancy“ und das bleibt im Sommer häufig so. Wir machten uns mit einem Schlüssel auf der Suche nach Cabin Nr. 90 und waren sehr angenehm überrascht, dass Nr. 90 eine „Canyon View“ hatte und heimelig, holzig eingerichtet war: Kein Fernseher, kein WLAN, kaum Mobilempfang aber haufenweise Natur pur und trotzdem eine warme Dusche im Badezimmer. Wir genossen am North Rim fabelhafte Aussichten, sei es beim Apéro im bequemen Stuhl auf der Veranda, sei es auf schönen Wanderungen oder beim feinen Essen im Dining Room der Lodge - zufällig waren wir auch hier in der 1. Reihe gelandet, direkt beim Panorama-Fenster.
Unser grosser Grand Canyon-Wunsch war es, in den Canyon hinein- und wieder hinauszulaufen, was wir ohne Übernachtung in der Phantom Ranch am Canyon-Boden bei den dortigen Tagestemperaturen von ca. 40°C nicht an einem Tag riskieren wollten. Die Ranch sei restlos ausgebucht, hiess es bereits im Februar auf Anfrage. Aber „on short notice“ gäbe es noch Hoffnung. Diese vergrösserte sich beim Veranda-Apéro nach entsprechenden Aussagen eines Wanderkollegen, der sich als Ex-Phantom-Ranch-Koch outete.
Ein Telefongespräch am nächsten Tag mit der Verwaltungsfirma Xanterra erfüllten sich unsere Hoffnungen und Wanderpläne. Am Dienstagabend, 12. Juli waren 2 Schlafplätze in der Phantom Ranch mit Abendessen und Frühstück für uns reserviert. Die Schlafräume seien strikt nach Männlein-Weiblein getrennt, was für Schweizer Berggänger etwas befremdend wirken kann. Aber wenn man sich in die etwas prüden Ansichten der amerikanischen Gesellschaft versetzt, dann wird schnell klar, dass man es einer Frau nicht zumutet, neben einem wildfremden Mann zu schlafen und vice versa. In 99.9% der Schweizer Berghütten steht dies gar nicht zur Diskussion. Wobei wir leider ein Mal Zeuge davon waren, wie sich ein bis dahin völlig unbekanntes Mann- und Weiblein nach einem feuchtfröhlichen Abend in der Nacht im Matratzenlager unserer Meinung nach zu nahe kam, und mit ihren Geräuschen und Bewegungen den ganzen Raum wach hielt. Aber dies ist eine andere Geschichte…
Zurück zum Dienstag, 12. Juli 2011. Wir hatten entschieden die logistisch einfachere Variante zu wählen und morgens früh mit dem Auto vom North zum South Rim zu fahren, dort das Auto abzustellen und den South Kaibab Trail hinunterzulaufen. Gegen Mittag starteten wir auf einer Höhe von 2'213 Metern und trafen nach ca. 3 Stunden, 11.5 km und minus 1’460 Höhenmetern bei der Phantom Ranch ein. Es war eine sehr schöne Wanderung mit wundervollen Aussichten im 1. Drittel, Tiefblicken im 2. Drittel und Flussblicken im 3. Drittel. Da die Strecke nicht so steil war, hielt sich unsere Müdigkeit in Grenzen, aber wir waren doch sehr froh, nicht am selben Tag wieder hochlaufen zu müssen. Nach einer Katzenwäsche und Kleiderwechsel sassen wir geniessend im Schatten am Bright Angel Creek und sprachen mit Wanderkollegen, die der Meinung waren, dass wir so erholt und frisch aussähen. Sie legten sich erschöpft samt Kleidern in den Creek, da sie für das Runterlaufen des South Kaibab Trails 9 Stunden gebraucht hatten….. Nach einem feinen „Hiker’s Stew“ und einem schönen Eindunkeln, trennte sich das Ehepaar Linssen für die kurze Nacht, da Frühstück bereits um 5.00 Uhr serviert wurde. „We hit the trail at 5.40 am“, so wie es dort heisst, und die Sonne (er-) schien schon recht schnell. Ehrlich gesagt viel zu schnell; um 7.00 Uhr war sie schon sehr nahe.
Der Bright Angel Trail war aber sehr schön und wegen der Länge von 15.5 km und Höhendifferenz von 1'340 Metern nicht so steil, und dazu noch gespickt mit diversen Trinkwasserstellen. Aber es wurde doch eine lange, heisse, staubige Wanderung, und wir waren froh, nach 5 Stunden müde aber zufrieden oben am Canyon Rim und Trailhead zu stehen. Nach einem kurzen Kleiderwechsel beim Auto besuchten wir das South Rim Visitor Center. Dort kauften wir endlich das Buch, das uns in den vergangenen Tagen schon in jedem Laden verstohlene Blicke entlockte „Over the Edge: Death in Grand Canyon - Gripping accounts of all known fatal mishaps in Grand Canyon“.
Auf jeden Fall; unser Grand Canyon-Erlebnis war komplett, wir verliessen den National Park in Richtung Süden.
Flagstaff
Nach ca. 150 km war Flagstaff unser letztes Ziel vor der Abreise. Wir fanden ein schönes Hotel am Rand vom Zentrum, wo wir uns für 2 Nächte zum letzten Mal auf amerikanischem Boden einquartierten. Alle technischen und kommunikativen Bequemlichkeiten standen uns hier wieder zur Verfügung, weshalb wir uns Zeit nahmen, um die Bilder bereits herunterzuladen und zu beschriften und einen Eintrag des Grand Canyon-Abenteuers auf www.gipfelbuch.ch zu machen. Begründung: Es war eine nicht alltägliche Tour, die sicherlich mehrere Schweizer Wanderer interessieren würde, und im Frühling waren viele gipfelbuch.ch-Besucher nach einem Aufruf unserseits so nett gewesen, uns ihre Erfahrungen zu mailen, in einem Tag in den Canyon rein- und rauszulaufen. Nach 24 Stunden war unser Eintrag bereits einige Hundert Male angeklickt worden.
Das Besondere an Flagstaff ist:
- es liegt an der legendären Route 66
- es liegt neben Mount Humphrey’s, mit 3'852 m dem höchsten Berg von Arizona, dessen Besteigung wir uns mühelos verkneifen konnten
- es hat einen alten, gemütlichen Kern
- man darf dort draussen auf den Terrassen ein Glas Wein oder Bier trinken
- die riesenlangen Züge, die Tag und Nacht durch die Stadt donnern. Die durchschnittliche Waggon-Zahl der Züge lag bei 110. Wenn man bei einem Bahnübergang in der Schweiz beim Vorbeifahren eines Zugs den Motor startet, so stellt man ihn in Flagstaff besser ab, denn es dauert eine Weile: Ein kleiner Film gedreht vom Anfang bis Ende eines Zugs dauerte 2:51 Minuten und zeigte 113 Waggons!
Heimreise und Abschluss
Anyway, Flagstaff bot uns genügend Unterhaltung, bis am Freitag, 15. Juli die Abreise angesagt war. Zuerst 220 km mit dem Auto nach Phoenix, danach 8'483 km mit BA 288 nach London Heathrow, 790 km mit BA 718 nach Zürich, dann 86 km mit dem IR-Zug nach Luzern und zuletzt 2.7 km mit Buslinie 7 zum Geissenstein, wo wir Samstagabend, 16. Juli kurz vor 22.00 Uhr inkl. Gepäck eintrafen, und vor Eintreten keinen Security Check durchlaufen mussten.
Mittlerweile haben wir den Jetlag verdaut, die Wäsche gewaschen, schon einige Tage gearbeitet und die Bilder ins Internet hochgeladen.
Nach dieser Reise drängt sich ein Vergleich der 3 besuchten National Parks auf, was aber nicht einfach ist. Jeder hat seinen eigenen speziellen Charakter und Reiz, ihn genauer anzuschauen, wobei alle zu einem grossen Teil durch Flusserosion gebildet wurden: Zion durch den Virgin River, Bryce Canyon durch den Paria River und Grand Canyon durch den Colorado. Es war sehr schön alle drei so intensiv erleben zu dürfen, wobei der Grand Canyon für uns das „Tüpfli aufs i“ war.
Wohin es uns auf eine nächste Reise zieht, steht in den Sternen. Wir können nur so viel sagen, wir behalten die Option „weltweit“ sicherlich noch eine Weile in unserer Reiseversicherung.
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